Betet für einen gesunden Umgang mit Leistung in Japan.
Ein prägender Begriff in der japanischen Gesellschaft ist „Doryoku“, was man mit „Anstrengung“ übersetzen kann. Dieses Wort verkörpert allerdings eine ganze Weltanschauung, die besagt, dass je mehr Kraftaufwand man in eine Sache steckt, desto weiter kommt man und desto besser werden die Ergebnisse. Man wünscht sich gegenseitig „ganbatte, ne!“, was so viel heißt wie „streng dich an, ja!“, nicht nur vor wichtigen Ereignissen wie Sport-Wettkämpfen, sondern auch als ganz normalen Gruß im Alltag wie auf dem Schulweg oder auf der Arbeit. Man schaut zu Menschen auf, die ein großes Durchhaltevermögen bewiesen haben, wie Firmengründer oder große Erfinder.
Dabei haben sich allerdings die Maßstäbe in der japanischen Gesellschaft so verschoben, dass weniger auf die tatsächlichen Ergebnisse und Effizienz geschaut wird, sondern mehr darauf wie sehr sich jemand anstrengt. Lange Arbeitszeiten zeugen von einer fleißigen und selbstaufopfernden Einstellung, ganz egal ob tatsächlich viel geleistet wird.
Das hat viele traurige und schädliche Auswirkungen in der japanischen Gesellschaft. Schüler sehen sich einem permanenten Leistungsdruck ausgesetzt, auf dem Arbeitsplatz leiden Menschen unter Überarbeitung und Stress, und man hat Überarbeitung seit den 80ern sogar als eine anerkannte Todesursage deklariert – „Karōshi“, Tod durch Überarbeitung*. Auch Ehen und Familien werden durch den Doryoku-Gedanken stark strapaziert und viele Menschen haben allgemein ein geringes Selbstwertgefühl, da man immer denkt, dass man sich noch ein bisschen mehr anstrengen hätte können.
Diese Weltanschauung macht auch vor japanischen Kirchen und Gemeinden nicht halt. Sie bewirkt, dass viele japanische Christen die Erwartungen der Gesellschaft auf Gott projizieren und denken, dass sie es Gott schuldig sind für ihn bis zur Erschöpfung zu schuften, oder sogar, dass sie sich seine Liebe und Annahme erst erarbeiten müssen. Wir haben auch schon Aussagen gehört wie „nur wenn ich in der Gemeinde mitarbeite, werde ich von Gott gesegnet“.
Betet, dass japanische Christen verstehen, dass sie von vornherein von Gott geliebt und angenommen sind, und dass alle Arbeit für ihn nur ein freiwilliger Ausdruck unserer Liebe für ihn und für die Welt um uns herum ist.
Betet, dass japanische Christen erfahren, dass Jesu Joch sanft und seine Last leicht ist (Mat. 11,28-30). Betet, dass sie zu freudigen Mitarbeitern in seiner Mission werden, die wie Paulus alles aus Gottes Kraft und nicht aus eigener Kraft tun (Kol. 1,29).
Für etwas 100% geben ist etwas Gutes. Daher betet bitte für einen gesunden Umgang mit Leistung in der japanischen Gesellschaft und, dass sich Menschen nicht nur über ihre Arbeit und ihr Durchhaltevermögen definieren.
*Zur Vollständigkeit muss gesagt sein, dass Karōshi inzwischen als ein weltweites Problem gesehen wird und es viele Länder gibt, in denen wegen langer Arbeitszeiten und unmenschlichen Arbeitsbedingungen Karōshi weit mehr verbreitet ist als in Japan (siehe Wikipedia).